Wachstum um jeden Preis


Schauen wir mal einige Jahre zurück als Deutschland noch boomte und der Konsum funktionierte. Damals waren die Kreditinstitute noch sehr spendabel damit ihre Dienstleistungen zu verkaufen. So wurde so mache Annehmlichkeit auf Pump finanziert.

 

Heute ist der Konsum rückläufig, viele Kredite sind geplatzt und die Banken haben neue Sicherheitsmerkmale ins Leben gebracht, die die Kreditwürdigkeit des Einzelnen überprüfen sollen. Ein Sinneswandel scheint eingetreten zu sein, denn in der Vergangenheit wurden doch Kredite forciert und es auch jungen Menschen leicht oder gar zu leicht gemacht über ihre Verhältnisse zu leben.

 

Viele scheffelten was es zu scheffeln gab, viele konsumierten und stetig wurden neue Märkte erschlossen und werbewirksam vermarktet. Und nun?

 

Viele haben nicht mehr überprüft was sie wirklich gebrauchen und nutzen möchten. Andere haben ihre Unzufriedenheit in den Konsum getragen. Doch alle haben erkannt, dass es ihnen nicht wirklich besser damit ging.

 

Jetzt wird vom Sparen gesprochen und es ist geil, geizig zu sein, sollte man der Werbung vertrauen. Geiz ist schick geworden und hat sich etabliert.

 

Unser Überleben ist ein Gebilde aus Zahlen geworden. Leben wurde kalkulierbar. Ein Produkt, eine Dienstleistung wird nach dem Preis bemessen. Unsere Welt hat ein Preisschild bekommen und es geht darum ob es sich lohnt, was es bring, also ob es sich rechnet.

 

Überall wird der Preis gesehen und nicht mehr der Mensch. Der Mensch der das Produkt fertigt, der es durch seine Fantasie entstehen ließ, der es liebevoll umsorgte und schließlich anbietet.

 

War damals der Deutsche Konsument eher darauf ausgerichtet bekannte und namhafte Marken einzukaufen nach dem Motto “Made in Germany”, so ist heute aus vielen Deutschen ein Konsument geworden der sich mit fernöstlicher Massenware schmückt und stolz auf jedes Schnäppchen ist.

 

Es wird ja nicht darüber gesprochen, dass dies die Kinderarbeit in Fernost fördern kann. Es sichert aber garantiert Arbeitsplätze in Fernost und irgendwann können wir uns diese Billigartikel vielleicht auch nicht mehr leisten, denn Deutschland versorgt sich nicht denn der Mensch wird nicht mehr gesehen, er hat ein Preisschild bekommen.

 

Gehe ich heute in die Bank so bin ich erfreut über die großzügige Eingangshalle. Übersichtlich steht dort ein Kontoauszugdrucker, auf der einen Seite, der mich mit wechselnden Bildchen fasziniert. Auf der anderen Seite kann ich Geld einzahlen. Nein, nicht am Schalter sondern am Automaten, der eine ist für Scheine und ein anderer ist für das Hartgeld zuständig. Mich erfreut diese Technik, denn gleich nebenan kann ich im Bildschirmdialog mit so einer Maschine Geld abheben. Doch wo ist der Mensch? Wo ist ein Begrüßungswort und wo ist ein Lächeln auf den Lippen. Wo bleibt der Austausch mit einem Menschen?

 

Es ist nachts, mein Auto macht mir deutlich, dass es Zeit ist zu tanken. Es fängt an mich zu nerven, weil ich nicht gleich reagiere. Dann, große leuchtende Tafeln mit Zahlen. Ein Lichtermeer nimmt mich in Empfang, Musik liegt in der Luft und ich greife zum Zapfhahn an Säule 07. Doch wo bleibt der Mensch, wo bleibt ein Lächeln, wo bleiben ein paar nette Worte? Ich ziehe die Kreditkarte durch den Schlitz und fahre weiter.

 

Samstagmorgen ich fahre mit tausenden von Gleichgesinnten missmutig in die Stadt. Hightech empfängt mich am Ortseingangschild und blink mich an: “Sie fahren 63 kmh”. Toll, ich bin in der Stadt angekommen. Hier gibt es sie, die bekannten Abgasgerüche im stopp und go Tempo. Blinkende Ampeln, blinkende Autos, blinkende Neonreklamen und überall Hinweisschilder, Parkplatz besetzt oder noch 2 Plätze frei, wenn schon 12 Autos vor mir warten.

 

Ich habe es geschafft und fahre in die Katakomben der Tiefgarage. Schnecke rechts rum, Schnecke links rum. Lichter die mir entgegenkommen und Autohupen. Nun noch intensiver stopp und go und dieser Abgasmief. Endlich am Ziel, die City. Schnell zum Parkschein Automat, acht geben das ich nicht überfahren werde und zurück zum Auto. Geschafft, der Einkauf kann beginnen.

 

Da sind sie die Menschen und ich schiebe mich mit ihnen zum Discounter. Rechts und links leere Geschäfte und Räumungsverkäufe die wiederum viele Menschen in ihren Bann ziehen. Deutschland im Ausverkauf und die Geschäftsleute loben den Umsatz des Weihnachtsgeschäfts. Haben sie verdienen können oder müssen sie Mitarbeiter entlassen, oder gibt es hier in Kürze den Räumungsverkauf?

 

Ich habe hier ein Bild übergezeichnet und mit Humor in Szene gesetzt. Es ist schön hier zu sein und ich fahre auch gerne samstags einkaufen. Auch wenn ich es jeden Tag kann, hat es etwas samstags dabei zu sein. Und ich finde immer noch genug lächelnde Gesichter und freundliche Bankangestellte mit denen ein Dialog geführt werden kann. Entscheiden sie was an meinem überzeichneten Bild wahr ist.

 

In der Vergangenheit haben wir gesehen das kleine Betriebe wesentlich flexibler auf Kundenwünsche reagieren können. Warum sind dann riesige Produktionsstrassen entstanden, die heute nicht mehr ausgelastet sind, weil sich das Konsumverhalten verändert hat? Industrialisierung ist in der Vergangenheit forciert worden und wurde mit Abschreibemöglichkeiten belohnt, während die Handarbeit immer teurer wurde und die Sozialabgaben stetig stiegen.

 

Schauen wir uns die sozialen Absicherungen einmal genauer an. Sie sind in einer Zeit entstanden als Deutschland am Boden lag und konnten nur durch den Gedanken der Solidarität funktionieren.

 

Im Laufe der Zeit ist die Rentenkasse oftmals zum Füllen diverser Haushaltslöcher genutzt worden. Die Überschüsse die vorhanden waren und auf schwache Jahrgänge verwiesen sind ausgegeben und nun sehen wir einem Ende dieses Systems entgegen. Meiner Meinung nach sind ein überzogenes Wachstum und Prestige mitverantwortlich für das Scheitern. Doch ich erwähnte schon alles hat seinen Preis.

 

Die Krankenversicherung steht einer Apparatemedizin gegenüber. Kann sie das bezahlen? Auch hier kann ich fragen wo bleibt der Mensch? Wird er nur noch gesehen, wenn er die richtige Versicherungskarte hat? Geht es auch hier nur noch um das wirtschaftliche Überleben. Vielleicht fliegen wir die NO Name Versicherten demnächst ins Ausland, um sie dort kostengünstiger zu behandeln.

 

Ist Krankheit ein Luxusgut geworden welches wir uns nicht mehr leisten können? Vielleicht sprengt auch unsere so moderne Sterbebegleitung den Rahmen. Videoüberwacht und an Beatmungsmaschinen, wie Ernährungssonden elektronisch entleert und gewendet liegen die Sterbenden auf der Intensivstation und ein schriller Piepton mit einer blinkenden Lampe zeigt den physischen Tod an. Handelt es sich um einen Organspender?

 

Auch hier habe ich wissentlich überzogen, denn es gibt sie die Menschen, die die Hand des Sterbenden halten und ihn pflegen. Und diese wunderbare Arbeit ist viel billiger und menschenwürdiger.

 

Erst wenn die Welt kein Preisschild mehr hat, wird sie ihr Gesicht zeigen, vielleicht sogar ein Lächeln, denn es ist unsere Welt, es ist unser Lächeln. Sie sehen wo gespart werden kann damit Arbeitsplätze geschaffen werden können und ein menschliches Leben, wie auch Sterben möglich ist.

 

Meiner Meinung nach ist es mit dem ankurbeln der Konjunktur nicht getan. Selbst Kredite mit Null Prozent Zinsen haben dies in anderen Ländern nicht erreicht. Der Markt ist gesättigt. Helfen könnte vertrauen in Deutschland, vertrauen in die Politik die immer noch wichtige Entscheidungen ohne einen Volksentscheid umsetzt. Ich glaube, wir Deutsche sind mündig geworden und möchten gefragt werden.

 

So wünsche ich mir, dass die politischen Weichen gestellt werden können unter der Prämisse der Menschlichkeit und Achtung vor der uns zur Verfügung gestellten Schöpfung, die uns anvertraut wurde um uns in Freude daran zu erfahren. Macht es Freude in eine Maschinerie eingebunden zu sein? Macht es Freude nach Zahlen und Zeitformeln bewertet zu werden? Ich glaube es macht krank, wobei wir wieder beim Krankenversicherungssystem sind. Doch möchte ich nicht vergessen, dass vieles sich erfreulich verändert und täglich neue gute Ansätze in den Ausdruck gelangen. Ein jeder entscheidet wo es hingeht und was er möchte.  

 

Autor Fritz Henke 06.01.2004